DPD-Defizienz und 5-FU-Therapie [T88.7]
OMIM-Nummer: 274270, 612779 (DP[Y]D)
Dipl.-Biol. Birgit Busse
Wissenschaftlicher Hintergrund
Dihydropyrimidin-Dehydrogenase (DPD) ist das geschwindigkeitsbestimmende Enzym beim Abbau des Chemotherapeutikums 5-Fluorouracil (5-FU) und dessen Prodrugs. Circa 80% der zugeführten 5-FU-Dosis werden über DPD verstoffwechselt. Verschiedene Varianten im DPYD-Gen führen zu einer DPD-Defizienz, wodurch der Metabolismus von DPD-Substraten eingeschränkt ist. Patienten mit pathogenen Varianten im DPYD-Gen tragen ein erhöhtes Risiko, schwere Toxizitäten unter 5-FU-Therapie zu entwickeln. Neben der gut charakterisierten Exon 14-Skipping-Mutation (DPYD*2A, rs3918290) wurde auch für andere Varianten im DPD-Gen ein Zusammenhang zur 5-FU-Toxizität gezeigt. Die DPYD-Genotypisierung kann dazu beitragen, die Gefahr schwerwiegender Nebenwirkungen unter 5-FU-Therapie zu reduzieren.
Bezeichnung (Allelvariante) | dbSNP ID | DNA-/Protein-Sequenzvariante | Enzymatische Aktivität | Allelfrequenz (bei Kaukasiern) | Träger mit >1 Allelvariante in % | Toxizität (Konfidenzintervall) |
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Wildtyp | - | - | 1 | - | - | - |
*2A | rs3918290 | c.1905+1G>A Exon14 Skipping | 0 | 0,006 | 0,9 – 1,5 | 2,9 (1,8-4,6) |
*13 | rs55886062 | c.1679T>G I560S | 0 | 0,001 | 0,1 - 0,2 | 4,4 (2,1-9,3) |
- | rs67376798 | c.2846A>T D949V | 0,5 | 0,007 | 1,1-1,5 | 3,0 (2,2-4,1) |
Haplotyp B3 | rs75017182 im vollständigen Kopplungsungleichgewicht mit dieser intronischen Variante rs56038477 | c.1129-5923C>G c.1236G>A | 0,5 | 0,022 | 4,3 - 4,7 | 1,6 (1,3-2,0) |
Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der Europäischen Arzneimittelagentur EMA empfiehlt, dass Patienten auf das Fehlen bzw. den partiellen Mangel des Enzyms Dihydropyrimidin-Dehydrogenase (DPD) getestet werden sollten, bevor sie eine Krebsbehandlung mit fluorouracilhaltigen Arzneimitteln beginnen, die durch Injektion oder Infusion (Tropf) verabreicht werden (Quelle: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, BfArM). Es wird empfohlen, die Exon-14-Skipping-Mutation c.1905+1G>A sowie die Positionen c.1236G>A (Exon 11), c.1679T>G, (DPYD*13, Exon 13), c.2846A>T (Exon 22) zu untersuchen. Dies entspricht auch den aktuell gültigen Empfehlungen entsprehc CPIC und DPWG Guidelines. Die Kosten der Untersuchung werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.
Ausführliche Informationen zu Toxizitätserscheinungen und DPD-Enzymdefizienz sind auch den Warnhinweisen der Fachinformation und der CPIC und DPWG Guidelines zu Fluorouracil und DPYD zu entnehmen. Es ist zu beachten, dass ein negatives Ergebnis der genetischen Diagnostik eine DPD-Defizienz nicht vollständig ausschließen kann, da im Gen weitere Varianten bekannt sind, die mit einer herabgesetzten Enzymaktivität assoziert sind, deren klinische Relevanz aber derzeit nicht geklärt ist.
Hinweis: Kombinierte Heterozygotie oder Homozygotie für bestimmte pathogene Varianten im DPYD-Gen kann zum klinischen Bild der hereditären Thymin-Uracilurie bzw. familiären Pyrimidinämie führen.
Literatur
Wörmann et al. 2020, Positionspapier zur DPD-Testung, DGHO / Lunenburg et al. 2020, Eur J Hum Genet 28:508 / Caudle et al. 2013, CPIC guidlines, Clin Pharmacol Ther 94:640 / Saif 2013, Cancer Genomics Proteomics 10:89 / Swen et al. 2011, Clin Pharmacol Ther 89:662 / Eidsen et al. 2009, Curr Pharm Pers Med 7:275 / van Kuilenburg et al. 2009, Hum Genet 125:581 / Schwab et al. 2008, J Clin Oncol 26:2131 / van Kuilenburg et al. 2008, Nucleosides, Nucleotides, and Nucleic Acids 27:692 / Gross et al. 2008, PLoS One 3:e4003 / van Kuilenburg 2006, Cancer Invest 24:215